Licht ist wie Dünger: Du kannst „nach Gefühl“ arbeiten, aber erst wenn du die Zahlen im Griff hast, sagen die Pflanzen wirklich „danke“. PPFD und DLI klingen nach Physik-Abkürzungen, sind in der Praxis aber bodenständig: Sie zeigen, wie viel Licht tatsächlich an den Spitzen ankommt. Und nein, du brauchst kein 300-€-Messgerät. Ein Telefon, ein Blatt Papier und fünf Minuten Geduld reichen.
Stell dir PPFD als „Sonnenpower in dieser Sekunde“ (µmol/m²/s) vor, und DLI als die Tagesportion — die Summe dieser Sekunden, gepackt in eine Zahl (mol/m²/Tag). In der Veggie kann die Portion auf 18 Stunden verteilt sein, die Pflanzen werden satt, auch wenn der „Strahl“ sanfter ist. In der Blüte leuchtet es nur 12 h, also schiebst du den Regler etwas hoch, damit die Portion passt. Das ist der ganze Zauber.
Telefon als Messgerät — ja, das funktioniert
Die Regel ist simpel: Handy-Apps (Photone, Lux Light Meter etc.) können PPFD abschätzen, wenn du ihnen einen Diffusor gibst. Der einfachste Diffusor ist … ein weißes Blatt Papier, auf die Linse geklebt (wirklich). Ohne das sieht das Handy Hotspots und die Messung wird zackelig oder zu niedrig.
Stell die Lampe so ein, wie du wirklich growen willst, leg das Handy flach auf Baldachinhöhe, und lass die App Zahlen zeigen. Wir verlassen uns nicht auf einen einzigen Punkt — wir machen ein Messraster. Ich mag die „Würfel-Fünf“: Mitte plus vier Ecken des Baldachins. Werte notieren und den Durchschnitt bilden. Das ist dein realer PPFD für die Pflanzen, nicht der Rekordwert aus der Zeltmitte, die immer am hellsten ist.
Mit 80×80 cm und einer 240-W-LED siehst du oft 650–900 µmol in der Mitte und 450–650 µmol an den Rändern. Diese Streuung ist normal. Ziel ist nicht „900 überall“, sondern eine vernünftige Durchschnitts-PPFD ohne Light-Burn.
Wie viel Licht ist „genug“?
Lass es uns in Worten statt Tabellen malen. Sämlinge/Stecklinge mögen 200–300 µmol — kompakt, ohne „Neugier-Brand“. Vegetative fühlt sich bei 300–500 µmol wohl — Blätter arbeiten, Internodien werden kürzer, du hast Zeit fürs Training. Nach dem Flip peile 600–700 µmol an; wenn Klima und Fütterung stabil sind, kannst du mit 700–900 µmol cruisen. Höher erst, wenn du weißt, was du tust, und CO₂ anreichert — sonst „verschluckt“ sich die Pflanze am Licht wie an einem zu großen Löffel Eis.
Zum DLI: In Veggie läuft es gut bei 20–35 mol/Tag, in der Blüte bei 30–45 mol/Tag. Über ~45 mol ohne CO₂ kaufst du dir meist eingerollte Blattränder und Stress statt Extra-Gramm.
Ein bisschen Mathe, große Entscheidungen
Wir rechnen DLI einmal, damit du siehst, wie simpel es ist. Die Formel klingt wuchtig, ist aber nur Multiplikation:
DLI = PPFD × Beleuchtungszeit (in Sekunden) ÷ 1.000.000.
Du hast 700 µmol und 12 Stunden? 12 h = 43.200 s. 700 × 43.200 = 30.240.000. Durch eine Million teilen ⇒ 30,2 mol/Tag. Perfekt für die Blütenmitte. Der gleiche PPFD in Veggie (18 h) ergibt 45,4 mol/Tag — viel, vielleicht zu viel, wenn VPD und Fütterung nicht sitzen.
Darum musst du in Veggie nicht die Decke wegbrennen. 400–500 µmol bei 18 h ergeben entspannte 26–32 mol, ohne dass die Töpfe austrocknen.
LED-Abstand: näher ist nicht immer besser
Jede Leuchte hat ihre „Sweet-Distance“. Zu nah — Blattränder taco-förmig, Adern verdunkeln, Stempel altern schneller. Zu weit — Internodien strecken, die Pflanze „jagt die Lampe“. Mit dem Handy in der Hand heb/senk das Fixture in 2–3-cm-Schritten, bis die Durchschnitts-PPFD das Phasen-Ziel trifft. Fehlt Leistung, keine Panik — ein längerer Photoperiod in Veggie hilft; in der Blüte bringt oft ein flacherer Baldachin (sanfte Defoliation, Tops auf einer Ebene) mehr als ein brutal aufgedrehter Dimmer.
So sieht Tuning in echt aus
Szene: 80×80. Direkt nach dem Flip misst du 820 µmol in der Mitte, 520 in den Ecken, Durchschnitt ~660. Das gibt ~28,5 mol bei 12 h — etwas mager. Ein Klick am Dimmer, Durchschnitt auf 730. DLI = 31,5 mol. Blätter meckern nicht? So lassen. Eine Woche später ist der Baldachin dichter, PPFD fällt auf 680 (die Pflanze hat „Licht gefressen“). Lampe 2 cm anheben, um Mitte/Rand zu glätten — zurück bei ~700–720. Schritt für Schritt bis zum Flush.
Wenn Zahlen nicht zu den Blättern passen
Manchmal sagt Papier „OK“, die Pflanze „nein“. Rollen die Ränder trotz 600–700 µmol, check VPD und Blatttemperatur — zu trocken/zu heiß an den Spitzen bestraft auch bei „richtigen“ Werten. Strecken die Triebe bei 400–500 µmol, liegt’s oft an zu viel N in früher Blüte oder am Abstand, nicht an fehlenden Lumen. Licht ist keine Insel.
Was kostet das?
Telefon hast du. Eine PPFD-fähige App ist gratis oder kostet ein paar bis ein Dutzend Euro. Ein einfacher Luxmeter für 10–20 € funktioniert ebenfalls, wenn du mit Profilen/Mulitplikatoren arbeitest (die meisten Apps haben „white LED/HPS“ an Bord — lieber denen vertrauen als zufälligen Internet-Tabellen). Dazu ein Paar Ratschenaufhängungen für 8–15 € — fertig ist das Tuning-Kit.
PPFD/DLI-Ziele je Phase (universell)
Phase | PPFD (µmol/m²/s) | Beleuchtungsdauer | DLI (mol/m²/Tag) |
---|---|---|---|
Sämlinge/Stecklinge | 200–300 | 18 h | 13,0–19,4 |
Vegetative | 300–500 | 18 h | 19,4–32,4 |
Frühe Blüte (Stretch) | 550–650 | 12 h | 23,8–28,1 |
Mitte/späte Blüte | 700–900 | 12 h | 30,2–38,9 |
So liest du’s: Stell die Durchschnitts-PPFD passend zur Phase ein, rechne DLI, dann beobachte die Blätter. Rollen sich Ränder trotz „korrekter“ Zahlen, justiere VPD/Blatttemperatur oder den Lampendistanz.
Beliebte Zeltgrößen — LED-Leistung und erwartete Werte
(Annahmen: modernes Full-Spectrum-LED 2,5–3,0 µmol/J, vernünftige Optik, weiße Wände; Höhenangaben sind Richtwerte)
Zelt (cm) | Fläche (m²) | Typische LED-Leistung (W) | Ø-PPFD in Blüte (bei guter Aufhängung) | Höhe der Lampe über dem Baldachin |
---|---|---|---|---|
60×60×160 | 0,36 | 120–180 W | 650–800 µmol | 30–40 cm |
80×80×180 | 0,64 | 200–260 W | 650–800 µmol | 35–45 cm |
100×100×200 | 1,00 | 320–450 W | 650–850 µmol | 40–50 cm |
120×60×180 | 0,72 | 200–320 W | 650–800 µmol | 35–45 cm |
120×120×200 | 1,44 | 480–650 W | 650–850 µmol | 40–55 cm |
150×150×220 | 2,25 | 700–1000 W (oft 2 Fixtures) | 650–900 µmol | 45–60 cm |
Hinweis: In Veggie reichen meist 50–70 % der Tabellenleistung (oder gleicher PPFD, aber längerer Photoperiod). In der Blüte auf 70–100 % gehen und die Tops eben halten — ein flacher Baldachin bringt einen besseren Durchschnitt als nur am Dimmer zu reißen.
Mini-Stromkostenrechner (Richtwert, bei 0,30 €/kWh)
Lampenleistung | 12 h/Tag (Blüte) — kWh/Tag | €/Tag | €/30 Tage | 18 h/Tag (Veggie) — kWh/Tag | €/Tag | €/30 Tage |
---|---|---|---|---|---|---|
150 W | 1,80 | 0,54 | 16,20 | 2,70 | 0,81 | 24,30 |
240 W | 2,88 | 0,86 | 25,92 | 4,32 | 1,30 | 38,88 |
350 W | 4,20 | 1,26 | 37,80 | 6,30 | 1,89 | 56,70 |
450 W | 5,40 | 1,62 | 48,60 | 8,10 | 2,43 | 72,90 |
600 W | 7,20 | 2,16 | 64,80 | 10,80 | 3,24 | 97,20 |
800 W | 9,60 | 2,88 | 86,40 | 14,40 | 4,32 | 129,60 |
(Setz deinen eigenen €/kWh-Tarif ein, falls abweichend — kWh × Preis.)
Zwei goldene Regeln des „Spickzettels“
- Durchschnitt > Peak. Miss im Raster (Mitte + Ecken), nicht nur in der Mitte — es zählt, was alle Tops sehen.
- PPFD ist nicht alles. Hebst du PPFD an, ohne VPD/Fütterung mitzuziehen, „antwortet“ die Pflanze mit Stress statt Ertrag.
Zum Schluss — die Licht-Philosophie
Anstatt Tabellen hinterherzulaufen, lerne, Pflanze und Zahlen zusammen zu lesen. Setz PPFDphasenangemessen, berechne DLI, notiere es. Schau auf die Blätter, nicht nur aufs Display. Wenn alles gleichmäßig wächst und du jeden Tag kleine, sinnvolle Schritte machst — hast du gewonnen. PPFD und DLI sind kein Physik-Examen. Sie sind Wegweiser, die dich vom Raten zum Gärtnern mit Plan bringen.