Im Hydro macht nicht ein „Zauberdünger“ die Musik, sondern Lösungs-Kontrolle und Sauerstoff an der Wurzel. Das Substrat hat eine bescheidene, aber entscheidende Rolle: Pflanze halten, Wasser an die Wurzelzone bringen, keine Technik verstopfen und das pH nicht verbiegen. Klingt simpel? Das falsche Medium entscheidet, ob das System schnurrt – oder du gegen Algen, Schleim und Verstopfungen kämpfst. Hier ist der Praxis-Guide zu den gängigsten Materialien und ihrer Zuordnung zu konkreten Systemen.
Erst das System, dann der Sack Granulat
Bevor du Blähton klickst: Welches System fährst du – und wie willst du es im Alltag betreiben?
DWC/RDWC (Eimer, belüftete Tanks): Medium ist nur der Kragen im Netztopf; die Musik spielt im Wasser. Du willst stabil, inert, ohne Abrieb im Kreislauf.
NFT & Aeroponik: Meist Starterwürfel, danach „nackte“ Wurzeln im Kanal/Nebel. Medium stützt den Start – dann tritt es ab.
Flood & Drain (Ebb&Flow) & rezirkulierendes Tropf: Medium muss Feuchte halten und atmen, ohne zu zerbröseln oder aufzuschwimmen.
Tropf-DTW und passive Semi-Hydro (Autopot, SWICK): Medien mit höherer CEC (z. B. Coco) sind ok – die Lösung kehrt nicht in den Tank zurück.
Steinwolle: Gewächshaus-Standard, klassischer Starter
Leicht, berechenbar, top Kapillarität – ideal zum Bewurzeln sowie für NFT/Tropf. Chemisch inert, mit einer Macke: vorwässern in pH ~5,5 (20–30 min), denn frisch kann pH anheben. In DTW klinisch sauber, in Rezirkulation ok bei strenger Hygiene. Nachteile? Abfall nach der Ernte – selten sinnvoll wiederverwendbar. Kosten: Startertrays einige bis über zehn Euro, Blöcke/Matten mehrere bis über zehn Euro.
Gut für: Starts (Klone/Sämlinge), Flood-Tische, NFT, Tropf à la Gewächshaus.
Weniger gut: wenn Wiederverwendung/Abfallminimierung Priorität hat.
Blähton (LECA): Kugeln für fast alles – mit Maß
In DWC/RDWC unsere Nr. 1 – inert, robust, mehrfach nutzbar (auskochen/bleichen). In Flood&Drain super, weil es schnell abtrocknet. WHC ist gering: Tropf braucht mehr Pulse; in Autopots mischen mit „schwammigem“ Material. Immer gründlich spülen & vorkonditionieren (12–24 h bei pH ~5,8; ein Hauch Ca/Mg hilft). Sack 45–50 L ~€10–€25.
Einsatz: DWC/RDWC-Netztöpfe, Flood&Drain, gelochte Töpfe, Medien für mehrere Zyklen.
Hinweis: Körnung zählt – 8–16 mm für Netztöpfe; feiner für Tische, aber nicht zu fein (Drainage!).
Coco in Hydro? Ja – mit Köpfchen
Hydro liebt inert. Coco ist es nicht: CEC erfordert Spülen & Ca/Mg-Pufferung. Warum trotzdem Coco? In DTW und semi-passiv liefert es eine extrem stabile Wurzelzone, breite Feuchtefenster und Fehlertoleranz. In Rezirkulation geht’s, aber nur mit Filtration und strenger Hygiene – Feinteile kleben Leitungen zu. 5-kg-Brick (60–70 L) zwei bis mehrere Dutzend Euro.
Gut für: DTW-Tropf, Autopot, SWICK, Semi-Hydro.
Nicht für: RDWC & enge Rezirkulation ohne Filter – Coco-Feinteile = Schlamm.
Perlit, Bims, Schaumscherben: leichte Lunge & saubere Hydraulik
Perlit belüftet top und ist pH-neutral, aber spröde – im Loop landen Feinteile im Filter. Eher als Blend (z. B. mit Coco in DTW) oder auf Trays ohne Pumpen-Rezirkulation. Bims/Lava ist schwerer, haltbarer – schwimmt nicht, zerfällt nicht, kombiniert Drainage mit Micro-Retention. Aufgeschäumtes Glas ist ein sauberes, wiederverwendbares Pendant – oft teurer. Richtwerte: 10 L Perlit ~€5–€12, Bims/Lava ~€8–€20.
Ideal für: Flood&Drain, Tischkultur, DTW; Feintuning im Blend.
Praxis:Staub = spülen. Sonst wird die Pumpe zum Feind.
Phenolschaum & Neopren-Kragen: kleine Teile, großer Frieden
Für Aero-Kloner oder NFT-Starts sind Phenolschäume (Oasis-Typ) und Neopren-Kragen Gold wert: leicht, sauber, konsistent. Schäume meist Einweg (variiert), Kragen auskochbar/bleichbar und wiederverwendbar. Preis: einige bis über zehn Euro je Tray/Schaum; Kragen ~€0,5–€1.
Medium zum Setup matchen – drei Szenarien
1) RDWC (4 Pflanzen, 120×120): 8–10 cm Netztöpfe, LECA 8–16 mm nach gründlichem Spülen/Soaken, keine faserigen Zusätze. Rücklauf-Filter, Nährlösung kühl – Medium ist nur „Ständer“.
2) Flood-Tisch 120×60 mit rezirkulierendem Tropf:Steinwoll-Block unter der Pflanze, rundum 70 % LECA + 30 % Bims im gelochten Topf. Schnelles Abtrocknen, kein Sumpf, saubere Leitungen.
3) DTW-Tropf in 11–15 L Töpfen:Coco 60–70 % + Perlit/Bims 30–40 %. Immer gepuffertes Coco (Ca/Mg). Fluss so einstellen, dass EC am Drain langsam, gleichmäßig driftet. Simpel, planbar, ohne Rezirkulation.
Hygiene: hier gewinnt (oder verliert) man Hydro
Egal, was im Sack steckt – vorbereiten wie OP-Werkzeug. Steinwolle ansäuern & spülen, LECA 12–24 h einweichen und kräftig spülen, Coco auf niedrige EC spülen & Ca/Mg puffern. Nach der Ernte: mechanisch reinigen, dann Oxidations-Reiniger (Peressigsäure, H₂O₂, ggf. verdünnte Hypochlorite – gründlich nachspülen). Jeder Gramm Staub, der im Medium bleibt, kehrt als stehende Pumpe, Biofilm und „Pilz“ in Leitungen zurück.
Kosten & Lebensdauer
LECA 45–50 L:~€10–€25, mehrfach nutzbar (bei guter Hygiene).
Steinwolle (Würfel/Blöcke/Matten): Trays einige bis >10 €, Blöcke/Matten mehrere bis >10 € — meist Einweg.
Coco (5 kg → 60–70 L):zehn bis mehrere Dutzend Euro; zweiter Lauf möglich, in DTW oft frischer Mix einfacher.
Perlit/Bims/Schaumglas: 10 L ~€5–€20; Perlit praktisch nicht wiederverwendbar, Bims/Schaumglas schon.
Klassiker der Patzer
Keine Steinwoll-Vorkonditionierung → pH >7, Wurzeln maulen.
Coco in Rezirk ohne Filter → Feinteile in Pumpen, brauner Biofilm, sterbende Dripper.
LECA direkt aus dem Sack → Staub, pH-Zucken, grüner Tank.
Medien-Reuse ohne Desinfektion → Pythium & Co. sind wieder da.
Zu feine Körnung → zu nasse Mischung; Wurzeln ersticken zwischen Fluten.
Quintessenz
DWC/RDWC: LECA (grob), minimal Additive, saubere Hydraulik.
NFT/Aero: Starterwürfel (Steinwolle/Schaum), danach nackte Wurzeln.
Flood & Drain / rezirk. Tropf: Steinwolle, LECA, Bims — inert & sauber.
DTW/Passiv: Coco (gepuffert) solo oder mit Perlit/Bims gemischt.
Spülen, einweichen, desinfizieren. Das beste Hydro-Medium spielt nicht die Hauptrolle – die Pflanze tut es. Das Medium soll einfach nicht stören.