Wann Kalzium- und Magnesium-Supplemente deine Pflanzen retten – und wann sie nur im Wurzelbereich Chaos anrichten
Wenn ich den häufigsten Reflex von Anfänger:innen unter LEDs nennen müsste, gleich nach dem pH-Check, dann wäre es der Griff zur Flasche Cal-Mag. Viele behandeln es wie ein Wundermittel: „Die Pflanze wird gelb? Cal-Mag!“, „Flecken auf den Blättern? Cal-Mag!“. Nur ist das Leben eben nicht so einfach, und die Cannabispflanze schreit nicht immer nach Kalzium oder Magnesium. Manchmal fehlt Stickstoff, manchmal gibt es eine Nährstoff-Blockade, und manchmal ist es einfach… falscher Alarm.
In diesem Artikel reden wir Klartext: wann Cal-Mag ein Schild ist, wann ein Placebo, und wann ein zweischneidiges Schwert, das richtig Ärger macht.
Warum erhöhen LEDs und gefiltertes Wasser den Cal-Mag-Bedarf?
Fangen wir mit den Fakten an. Alte HPS-Lampen gaben viel Wärmestrahlung ab, was Stoffwechsel und Transpiration beeinflusste. LEDs sind effizient und kühl, stellen die Pflanze aber vor andere Herausforderungen. Unter Vollspektrum-LEDs läuft die Photosynthese intensiver – dadurch verbraucht die Pflanze schneller Magnesium (wichtiger Bestandteil von Chlorophyll) und Kalzium (Baustein der Zellwände).
Der zweite Punkt ist das Wasser. Leitungswasser enthält in den meisten Fällen bereits viel Kalzium und etwas Magnesium, vor allem in Regionen mit hartem Wasser. Aber wenn du RO-Filter (Umkehrosmose) nutzt oder destilliertes Wasser kaufst, startest du praktisch mit reinem H₂O. Null Mineralien. Das heißt, du musst Ca und Mg komplett aus der Flasche zuführen.
Wie erkennt man Mängel?
Okay, aber woher weißt du, ob es wirklich ein Kalzium- oder Magnesiummangel ist – und nicht etwas ganz anderes?
Symptome von Magnesiummangel (Mg):
- Vergilbung zwischen den Blattadern älterer Blätter (interveinale Chlorose).
- Rote oder violette Blattstiele, wenn der Mangel stärker wird.
- Blätter können braun werden und an den Rändern zerbröseln.
Symptome von Kalziummangel (Ca):
- Kleine, unregelmäßige Flecken auf jungen Blättern, die später zu Löchern werden.
- Verkrüppeltes Neuwachstum, oft mit eingerollten Spitzen.
- Geschwächte Stängelstruktur, die leichter bricht.
Wichtig: Ca und Mg bewegen sich unterschiedlich in der Pflanze. Magnesium ist mobil – die Pflanze „saugt“ es aus älteren Blättern und schickt es ins Neuwachstum. Kalzium ist unbeweglich – fehlt es in jungen Trieben, bleibt der Defekt dauerhaft sichtbar.
Wann hilft Cal-Mag wirklich?
- Anbau mit RO-/destilliertem Wasser. Hier ist Cal-Mag Pflicht, sonst startest du bei null.
- Hochintensive LEDs. Je stärker die Photosynthese, desto größer der Hunger nach Mg.
- Coco als Medium. Coco neigt dazu, Kalzium zu binden – Cal-Mag ist hier fast Standard.
- Genetischer Appetit. Manche Strains (vor allem Hybride mit starkem Sativa-Einschlag) haben einen höheren Mg-Bedarf.
Wann richtet Cal-Mag Schaden an?
Jetzt wird’s spannend, denn viele Grower wissen nicht, dass ein Überschuss an Ca und Mg andere Nährstoffe blockieren kann.
- Zu viel Ca = Kalium-Blockade (K). Ergebnis? Symptome wie bei Kaliummangel: verbrannte Blattränder, langsameres Wachstum, kleinere Buds.
- Zu viel Mg = Kalzium- und Eisen-Blockade. Plötzlich zeigt die Pflanze Chlorosen an jungen Blättern und sieht nach Eisenmangel aus, obwohl Fe im Dünger ist.
- Doppelte Gabe. Viele Basisdünger (vor allem für Hydro und Coco) enthalten schon Ca und Mg. Eine zusätzliche Flasche kann dich schnell ins Übermaß bringen.
Praktische Dosierungstipps
- Start mit RO: 0,3–0,5 EC Cal-Mag als Basis, dann der Rest der Nährstoffe.
- Mittleres/hartes Leitungswasser: Enthält oft schon 50–150 ppm Ca und Mg zusammen. Supplementierung hier meist nur halbe Dosis oder gar nicht.
- pH im Blick: Mg-Mängel treten oft bei zu niedrigem pH auf (<5,5 in Hydro), Ca-Mängel bei zu hohem (>6,5 in Erde). Es könnte also ein Balance-Problem sein, nicht der Dünger.
Cal-Mag als Placebo
Ich habe schon viele Grower gesehen, die bei jedem Fleck sofort Cal-Mag reinkippen. Ergebnis? Die Pflanze leidet weiter, weil das Problem woanders liegt – z. B. in zu nasser Erde, zu hohem EC oder Stickstoffmangel. Cal-Mag löst nicht alles, so wie eine Vitaminpille kein gebrochenes Bein heilt.
Fazit
Cal-Mag ist ein Werkzeug. Manchmal ist es ein Schild, das deine Pflanzen unter starken LEDs vor Bröckeln und Vergilben rettet. Manchmal ein Placebo, das du hoffnungsvoll dazugibst, während es im Wurzelbereich nur Chaos anrichtet. Und manchmal ein zweischneidiges Schwert, das andere Nährstoffe blockiert.
Der Schlüssel ist Beobachtung: Medium verstehen, Wasserquelle kennen und den tatsächlichen Bedarf der Pflanze einschätzen. Wenn du das bewusst machst, bedanken sich deine Pflanzen mit sattem Grün und Buds hart wie Stein.